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Beamte in der Disziplinargewalt des Dienstherrn

Nicht nur steht es Beamten frei, in einem gegen sie eingeleiteten Disziplinarverfahren auszusagen, sie haben auch ein Recht auf korrekte Belehrung darüber. Nach aktueller Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen führt jedoch nicht jeder Fehler, welcher dem Dienstherrn bei der pflichtgemäßen Belehrung unterläuft, zu einem Verwertungsverbot.

Es gibt viele Unterschiede zwischen Beamten und Angestellten. Eine der vielen Besonderheiten des Beamtenrechts ist die hoheitliche Struktur, in welcher das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis ausgestaltet ist. Dieser öffentlich-rechtliche Charakter zeichnet sich durch die einseitige staatliche Regelungskompetenz dieses Verhältnisses aus. Als Konsequenz dazu kann im Beamtenrecht keine Tarif- oder Privatautonomie bestehen. Ebenfalls verleiht es dem Dienstherrn eine Disziplinargewalt bei Fehlverhalten des Beamten.

Das Disziplinarrecht in der Entwicklung

Es gibt deutlich länger Beamte, als ein kodifiziertes Disziplinarrecht mit eigenen Verfahrensrechten des Beamten existiert.
Unter Friedrich Wilhelm I. von Preußen (geb. 1688) wurde die Stellung als „Beamter des preußischen Königs“ mit einer Reihe von strengen Verboten verbunden. Es war den Beamten untersagt, überhaupt privatwirtschaftlich Geschäfte zu tätigen (zur Vermeidung von Korrumpierungen) und Geschenkannahmen wurden mit Kassationen bedroht. Weiter wurde damals eine Geldstrafe für die Verwendung von Schmäh- und Schimpfworten eingeführt, wobei ein Zweitverstoß ebenfalls mit Amtsverlust sanktioniert wurde. Zudem wurde eine kollegiale Verantwortlichkeit mit Haftung des Vorgesetzten gegen ungerechte Gewalt durch den Beamten etabliert. Grundsätzlich konnten zu dieser Zeit Beamte jederzeit wegen als mangelhaft empfundener Dienst- oder Lebensführung entlassen werden.
Unter Friedrich II. von Preußen (geb. 1712) wurde das Beamtenrecht im Allgemeinen Landrecht der Preußischen Staaten von 1794 kodifiziert, welches auch ein Disziplinarrecht beinhaltete.
Heute ist das Disziplinarverfahrensrecht für Landes- und Kommunalbeamte in den jeweiligen Landesdisziplinargesetzen und für Bundesbeamte im Bundesdisziplinargesetz geregelt.

Das Disziplinarverfahren in der heutigen Behördenpraxis

Viele Beamte sehen sich irgendwann in ihrer Dienstzeit mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens konfrontiert. Zwar gibt es eine Vielzahl von Behörden, welche die Vorschriften des Disziplinarverfahrensrechts sorgfältig beachten. Gleichzeitig herrscht bei einigen Dienstherrn ein laxer Umgang mit grundsätzlichen Vorschriften des Disziplinarverfahrens, was für den Beamten im Zweifelsfall eine erhebliche Beeinträchtigungen seiner Verteidigung nach sich ziehen kann.
Ordnungsgemäß müssten Dienstherrn Ihre Beamten frühzeitig über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unterrichten. Dabei müssen die Vorwürfe soweit wie möglich nach Zeit, Ort und Umfang unter Herausstellen des disziplinaren Vorwurfes konkretisiert werden. Dies bedeutet, dass bereits bei Einleitung eines Disziplinarverfahrens die dem beschuldigten Beamten zur Last gelegten Tatsachen – also der Sachverhalt, der den Verdacht einer Pflichtverletzung begründet – dargelegt werden und im Übrigen der Vorwurf aus sich selbst heraus verständlich sein muss.
Unsere Erfahrung in der Praxis hat gezeigt, dass die Einhaltung dieser Voraussetzungen keinesfalls selbstverständlich sind. So werden Beamte oft mit vagen, kurz umrissenen Vorwürfen konfrontiert. Ein in diesen Dingen unerfahrener Beamter, welcher die Ernsthaftigkeit der Situation unterschätzt, kann hier die Situation für sich durch eine unüberlegte, von ihm als unschuldig wahrgenommene Rückäußerung deutlich verschlimmern.
Eine andere Beobachtung aus der Praxis ist es, dass manche Dienstherrn – sogar bevor formal ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde – sich die Freiheit nehmen, den Beamten zu einem Gespräch zu laden und ihn zu der Angelegenheit, wegen welcher er im Verdacht steht, ein Dienstvergehen begangen haben und wegen der noch ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden soll, befragen. Hierbei wird der Beamte regelmäßig aufgefordert, Unterlagen beizubringen, sich zu erklären und oft erheblich unter Druck gesetzt. Auf Basis der dann dem Beamten entlockten Erkenntnisse wird häufig die konkrete Einleitung des Disziplinarverfahrens erst gestützt.
Dies erscheint hochgradig fragwürdig, wenn man sich die Belehrungsverpflichtung des Dienstherrn gegenüber seinem Beamten vor Augen hält.
Für Landes- bzw. Kommunalbeamte in Nordrhein-Westfalen ergibt sich diese aus § 20 Abs. 1 S. 3 LDG NRW. Danach ist der Betroffene darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nichts zur Sache auszusagen und sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistandes zu bedienen.

Diese Belehrung verfolgt zwei Schutzziele (vgl. OVG NRW, Urteil vom 05.10.2016 – 3d A 87/14.O, Juris-Rn. 107). Einmal soll dem Beamten vor seiner Vernehmung zu einem konkreten Verdacht verdeutlicht werden, dass er sich nicht einlassen muss, um an einer Belastung nicht mitzuwirken. Ferner soll ihm bewusst gemacht werden, dass er sich jederzeit eines Rechtsbeistandes bedienen kann.

Wenn also der Beamte früh und konkret über die Vorwürfe unterrichtet werden muss und sein Recht zu Schweigen nicht faktisch ausgehöhlt werden soll, kann es nicht zulässig sein, den Beamten vorher in einem persönlichen Gespräch unter Druck zu setzen, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und „sich zu erklären“. Trotzdem kommt dies erfahrungsgemäß immer wieder vor. Manche Dienstherrn gehen sogar soweit, den Beamten zu einer verpflichtenden ersten Anhörung zu laden und Nachteile im Disziplinarverfahren zu suggerieren, wenn an dieser nicht teilgenommen wird.

Das Verwertungsverbot im Disziplinarrecht

In vielen Disziplinarverfahren kommt es letztlich nicht darauf an, was dem Beamten – ggf. unter Verstoß gegen § 20 LDG NRW – in einem Gespräch durch den Dienstherrn entlockt wurde. Oft ist es – schon aus verfahrensstrategischen Gründen – unentbehrlich, dass der Beamte seine persönliche Sicht schildert, weil Dienstherrn oft von einem falschen Sachverhalt ausgehen. In den Fällen, in denen sich jedoch Beamte tatsächlich durch Schweigen verteidigen wollen, kommt es aufgrund von vorherigen Aussagen in Reaktion auf unrichtige oder unvollständige Belehrungen, auf die Frage einer Verwertbarkeit von unter diesen Umständen erlangten Aussagen an.

Diesbezüglich hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen – noch nicht rechtskräftig (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.03.2017 – 2 B 86.16) – entschieden, dass zumindest in dem dort entschiedenen konkreten Fall die unvollständige Belehrung unschädlich war und die im Anschluss daran getätigten Einlassungen nicht unverwertbar im Sinne von § 20 Abs. 3 LDG NRW seien (vgl. OVG NRW, Urteil vom 05.10.2016 – 3d A 87/14.O, Juris-Rn. 109). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung, das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zur Revision zuzulassen, festgestellt, dass dieses Verfahren geeignet erscheint, zur Klärung beizutragen, welchen Anforderungen eine Belehrung eines Beamten im Sinne von § 20 Abs. 1 S. 3 LDG NRW genügen muss, um nicht als unrichtig im Sinne von § 20 Abs. 3 LDG NRW mit der Folge bewertet zu werden, dass die Aussage des Beamten nicht zu seinem Nachteil verwertet werden darf.

Unabhängig davon wie das Bundesverwaltungsgericht sich in dieser besonderen Rechtssache entscheiden wird, ist für Beamte folgendes grundsätzlich zu beachten:

Mit Vorwürfen wegen eines Fehlverhaltens – innerdienstlich wie außerdienstlich – konfrontiert zu werden, ist für jeden Beamten eine äußerst ernsthafte Angelegenheit. Nicht jeder Vorwurf mündet in einem Disziplinarverfahren, jedoch besteht bei jedem dieser Vorwürfe die konkrete Möglichkeit, dass solch eine Einleitung erfolgt. Dies kann schlimmstenfalls zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis (für Ruhestandsbeamte zur Aberkennug des Ruhegehalts) führen. Bevor Sie sich also wie auch immer geartet äußern, sollten Sie sich – auch wenn Ihr Dienstherr bisher darauf verzichtet hat, offiziell ein Disziplinarverfahren einzuleiten – dringend Beratung suchen. Je ernsthafter die Vorwürfe sind, desto wichtiger ist es, dass Sie sich früh um rechtlichen Beistand bemühen. So können nicht nur ggf. unüberlegte Aussagen verhindert, sondern vielmehr auch möglichst früh die Weichen für eine bestimmte Verteidigungsstrategie gestellt werden.

Durch unsere Kanzlei werden zahlreiche Disziplinarverfahren für Landes-, Bundes- und Kommunalbeamte durch Herrn Rechtsanwalt Brunnert und Frau Rechtsanwältin Siebe begleitet. Sollten Sie sich wegen einem inner- oder außerdienstlichen Fehlverhalten mit Vorwürfen konfrontiert sehen, stehen wir Ihnen gerne – mit Beratung und/oder Vertretung – zur Seite.

Über den Autor

Autorenbild Rechtsanwältin und Notarin Astrid Siebe
Astrid Siebe

Frau Rechtsanwältin Siebe ist Fachanwältin für Verwaltungsrecht. Sie ist besonders spezialisiert im öffentlichen Dienstrecht, wobei sie neben Beamten auch Arbeitnehmer und Personalräte vertritt.

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